Vom Individualtourismus ...
Seit Jahrhunderten weckte das Avers die Neugier von Wissenschaftlern und Reisenden. So verbrachte etwa der niederländische Maler Jan Hackaert im Sommer 1655 einige Tage im Tal. Er fand beim Pfarrer in Cresta Unterschlupf. Bereits damals gab es eine Herberge, wo die Fremden unterkommen konnten.
Als im 19. Jahrhundert immer mehr Bergsteiger, Floraliebhaberinnen und Teilnehmende von wissenschaftlichen Exkursionen ins Tal kamen und allgemein der Tourismus zu einem wirtschaftlich interessanten Erwerbszweig wurde, musste eine angemessene touristische Infrastruktur her. Am Anfang waren es Avner Auswanderer, die die ersten Hotels bauten. Etwa der nach Nizza ausgewanderte Peter Salis, der jeden Sommer in seiner alten Heimat verbrachte und 1895/96 das Kurhaus in Cresta hochziehen liess.
Ein eigentlicher Wintertourismus kam ab den 1920er Jahren auf. Damals fanden zunehmend Tourenskifahrerinnen und -fahrer ihren Weg ins Tal – und von dort etwa auf das Grosshorn oder den Stallerberg. Ab den 1960er Jahren wären diese Tourenziele für die mit Fellen und Laufbindungen ausgestatteten Touristinnen und Touristen aber verbaut gewesen – wenn das damals geplante Grossprojekt realisiert worden wäre.
... zum (geplanten) Massentourismus
1963 hatte eine Genfer Gesellschaft ein Feriendorf mit 10'000 Gästebetten, 16 Liften, 4 Bahnen und 1 Helikopterlandeplatz geplant. Sie nannten es «Sportzentrum Cresta-Juf». Der tollkühne Plan für den Bau eines Resorts, wie man das heute nennt, hätte im Kanton Graubünden jeden Massstab gesprengt.
Das Projekt war beispielhaft für den damaligen Zeitgeist. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem wirtschaftlichen Aufschwung hatten Menschen in den Städten Geld und Zeit für Ferien in den Alpen. In Frankreich machten Architekten vor, wie eine grosse Menge an Touristinnen und Touristen auf wenig Raum und kostengünstig untergebracht werden konnten. Retortenstädte wie Avoriaz sind berühmt-berüchtigt geworden.
Zankapfel Zonenplan
Die Bevölkerung im Avers reagierte zwiespältig auf die hochfliegenden Pläne. Einige erhofften sich mehr Arbeitsplätze, andere wie ein Hotelier in Cresta fürchtete die Konkurrenz. Als eigentlicher Zankapfel entpuppte sich aber der Zonenplan und die Bauordnung – die lange auf sich warten liessen. Ein Teil der Bevölkerung empfand die Aufwertung bestimmter Gebiete zu Bauzonen als ungerecht. Die einen hätten profitiert, die anderen nicht. Schliesslich blieb das Vorhaben Makulatur: Mangelnde Finanzen und Interessenkonflikte zwischen den Bauherren und der Bevölkerung führten 1978 nach fünfzehnjähriger Planungszeit zu seiner Beerdigung.